Was ist Feldenkrais?

Feldenkrais ist eine Lern-Methode, die auf der natürlichen Lernfähigkeit des menschlichen Nervensystems basiert und diese konkret nutzbar macht. Jede menschliche Handlung besteht immer mindestens aus den Komponenten Bewegung, Wahrnehmung, Emotion und Denken. Im Gegensatz zu den Tieren kommen Menschen jedoch nicht ganz oder fast „fertig“ zur Welt, sondern wir müssen praktisch alles außer Atmen und Saugen im Laufe vieler Jahre lernen.

Darin liegt aber unsere große Chance, denn wir können eben auch alles lernen! Doch das gilt nicht nur für Kinder, sondern auch als Erwachsene können wir unser ganzes Leben hindurch Neues lernen und bereits Gelerntes verbessern.

Feldenkrais heißt zum Beispiel: Besser bewegen lernen für mehr Lebensqualität.

Feldenkrais: Ein riesiger Schatz an Bewegungen

Die Feldenkrais-Methode bietet einen riesigen Schatz an Bewegungslektionen, mit der sich so gut wie alle menschlichen anatomischen Bewegungen einzeln und in Kombination erlernen oder verbessern lassen. Sie werden überrascht sein, was Ihr Körper alles kann – und Sie mit ihm! Ein Mensch hat in der Regel 206 Knochen, die über die verschiedenartigsten Gelenke miteinander bewegt werden können. Und ich bin mir ganz sicher, dass Sie eine ganze Reihe davon bisher noch nie bewusst bewegt haben.

Feldenkrais — überraschend anders

Die größere Überraschung aber wird sein, dass der Feldenkrais-Unterricht überhaupt nicht anstrengend ist. Das rührt von der konsequenten Ausrichtung der Feldenkrais-Methode an den Bedürfnissen unseres Gehirns. Damit Ihr Gehirn neue Bewegungs- und Handlungsmuster ausprobieren kann, müssen Sie ohne Zeitdruck, ohne Stress und vor allem ohne Angst vor Fehlern lernen können. Das Lernen und die Verbesserungen geschehen ganz von selbst, indem ich Ihnen eine bestimmte Bewegung oder Kombination von Bewegungen vorschlage. Diese Bewegungen sind am Anfang einer Stunde immer einfach und für jeden machbar.

Genaue Beobachtung bewirkt bessere Bewegung

Während Sie sich bewegen, lenke ich Ihre Aufmerksamkeit mit meinen Worten darauf, wie sich diese Bewegungen auf die unterschiedlichen Teile Ihres Körpers auswirkt. Stellen Sie sich vor, Sie liegen auf dem Rücken und möchten den Kopf heben. Das kann man auf hunderte Arten tun, aber meistens hängt es davon ab, wozu man den Kopf heben möchte, weil man zum Beispiel etwas sehen oder nach etwas greifen möchte. Jedes Baby hebt seinen Kopf hunderte Male am Tag und lernt so nach und nach und eigentlich nebenbei, welche Bewegungsmuster zum Erreichen eines Ziels die effizientesten sind.

Auf diese Weise schulen und verfeinern Sie in jeder Feldenkrais-Lektion Ihre Wahrnehmung und schaffen damit die Voraussetzung für effiziente, bessere Bewegung.

Störende Bewegungsmuster verschwinden

In der Feldenkrais-Sprache nennen wir das „parasitäte Muskelanspannungen reduzieren“. Das bedeutet, dass an einer Handlung Muskeln beteiligt sind, die funktional gar nicht zu den dafür benötigten Bewegungsmustern gehören — das ist dann „bloß“ ineffizient — oder diesen sogar entgegenwirken — was die gewünschte Handlung im schlimmsten Fall scheitern lässt. Das möchte ich gerne an einem Beispiel illustrieren. 

Nehmen wir an, Sie müssen etwas sehr Schweres heben, etwas das Sie nur unter Aufbietung all Ihrer Kräfte schaffen. Wenn Sie sich das mal kurz möglichst detailliert ausmalen, werden Sie wahrscheinlich bemerken, dass Sie Ihr Gesicht angespannt haben. Die Muskeln in Ihrem Gesicht werden aber in den seltensten Fällen tatsächlich fürs Heben hilfreich sein. Bleiben wir noch kurz bei unserem Beispiel und versuchen Sie noch einmal die zu schwere Last in Ihrer Vorstellung anzuheben. Und? Haben Sie die Luft angehalten? Höchstwahrscheinlich haben Sie das, weil das fast alle Menschen unbewusst tun. Doch nur, weil es viele tun, muss es noch nicht richtig sein. Tatsächlich verhindert das Luftanhalten, dass Sie Ihre volle Muskelkraft zur Verfügung haben. Das kommt daher, weil die Muskeln außen an Ihrem Brustkorb beim Zusammenziehen dicker werden und mehr Raum brauchen. Da dieser zusätzliche Raum den Muskeln aber vom steif gehaltenen Brustkorb verwehrt wird, können sie nur einen Teil ihrer Kraft entfalten.

Beides sind Beispiele für parasitäre Bewegungsmuster. Das Gesicht anzuspannen ist dabei bloß ineffizient, während das Luftanhalten tatsächlich kontraproduktiv ist und Sie im schlimmsten an der Aufgabe scheitern lässt.

Jede Feldenkrais-Lektion enthält Bewegungen und Bewegungskombintationen, mit denen Sie nach und nach parasitäre Muskelanspannungen wahrnehmen und dann sukzessive abstellen können.

Beweglichkeit beginnt im Denken!

Bei all dem könnte man meinen, es geht in der Feldenkrais-Methode nur um Bewegung. Nichts könnte falscher sein! Moshé Feldenkrais hat das selbst verneint:

Mich interessieren nicht bewegliche Körper, sondern bewegliche Gehirne.

Tatsächlich verwenden wir Bewegungen, weil sie 

  1. sehr leicht objektivierbar sind,
  2. Bewegung grundlegend für unsere Handlungsmöglichkeiten sind, und
  3. Bewegung eine fundamentale Bedeutung für die Entwicklung des Nervensystems hat.

Prof. Daniel Wolpert (Univ. Cambridge, UK) drückt es sogar noch plakativer aus:

Der einzige Grund für die Existenz von Gehirnen ist Bewegung. Ohne Bewegung gibt es keine Notwendigkeit für Gehirne !

(Das habe ich übrigens bei seinem tollen Vortrag bei TED.com gelernt. Falls Sie das interessiert, einfach dort nach »Daniel Wolpert« suchen.) 

 

Das Ziel der Feldenkrais-Methode

Wer könnte das besser formulieren, als ihr Entdecker und Begründer selbst? Dr. Moshé Feldenkrais bechreibt das Ziel seiner Arbeit in seinem aüßerst lesenswerten Buch Die Entdeckung des Selbstverständlichen so:

Meine Art des Lernens, meine Art mit Menschen umzugehen, besteht darin, dass ich für den, der es wünscht, herausfinde, welche Art von Fertigkeit ihm möglich wäre. Man kann lernen, sich anders zu bewegen, anders zu gehen, anders zu stehen; aber viele haben das aufgegeben, weil sie meinen, es sei jetzt zu spät, ihr Entwicklungsprozess sei abgeschlossen, sie könnten nichts Neues mehr erlernen, sie hätten keine Zeit oder es fehle ihnen die nötige Fähigkeit. 

Um gut zu funktionieren, braucht man nicht ins Säuglingsalter zurückzugehen. Man kann, zu jedem Zeitpunkt seines Lebens, sich umprogrammieren, Sie können das, vorausgesetzt, ich kann Sie überzeugen, dass an Ihrem System nichts endgültig, unabänderlich oder zwangsläufig ist, das ausgenommen, was Sie für endgültig oder unabänderlich halten.

Moshé Feldenkrais, Die Entdeckung des Selbstverständlichen (Suhrkamp Verlag, 1987, S. 175f)